"Adopt, don't shop!" – ethisch richtig oder blindes Rassehunde-Bashing?

Man hört das immer öfter, auch von Leuten, die seit Jahren glückliche und zufriedene Rassehundehalter sind: der nächste Hund kommt aus dem Tierschutz – "adopt, don't shop!". Die Rassehundezucht ist in der öffentlichen Meinung noch weiter abgerutscht. 

Seltsamer Nebeneffekt des Mediengetrommels für und gegen das Tierschutzgesetz

Nun wurde also die Novelle zum österreichischen Tierschutzgesetz beschlossen, und gegenüber dem Entwurf hat sich kaum etwas verändert. Die vielen Stellungnahmen, um die Bedeutung der verantwortungsbewussten Zucht von Rassehunden zu unterstreichen, wurden einfach weggewischt. Man wollte wohl noch vor der Sommerpause doch wenigstens ein Gesetz in der Koalition gemeinsam beschließen, wenn man sich schon in so vielen anderen Dingen nicht mehr einig ist. Da musste der halt Tierschutz herhalten.

Eine ganz besonders absurde Folge der Mediendiskussion: Man hört neuerdings von langjährigen Haltern und Freunden von Rassehunden, der nächste Hund würde kein Rassehund mehr sein. Freunde hätten jetzt einen Welpen aus dem Tierheim, und sie müssten mit ihm so viel arbeiten, damit er Vertrauen fasst, das ist doch so toll, das will man beim nächsten Hund auch. Und die vielen armen Tiere in den Tierheimen müssten doch einen guten Platz bekommen. Heute gilt wohl: ein guter Mensch kauft keinen Hund vom Züchter, sondern nimmt einen Tierschutzhund auf – "adopt, don't shop!"

Ein Schlag in die Magengrube der verantwortungsbewussten Züchter, die alles daran setzen, dem Hundefreund einen gesunden, wesensfesten und gut geprägten Welpen in den Arm legen zu können, der vom ersten Tag an ein vertrauensvolles Familienmitglied sein kann. Wie kann man diesem glücklichen Zusammenleben jenes mit einem traumatisierten Tier vorziehen?

Aber lassen wir die Emotionen beiseite, Zorn und verständnisloses Kopfschütteln helfen hier nicht. Überlegen wir einmal sachlich, was es bedeuten kann, einen Welpen oder auch erwachsenen Hund aus dem Tierschutz aufzunehmen (kann – nicht muss: immer kann alles auch gutgehen, und auch ein sorgsam gezüchteter Hund kann Probleme haben):

Schlechte Aufzuchtbedingungen und Traumatisierung

Woher kommt der Welpe? Niemand kennt die Elterntiere, den "Züchter", die Umstände, unter denen das Hundekind die ersten Lebenswochen verbracht hat, die Räumlichkeiten, das Futter. Wurden die Eltern vor dem Decken auf erbliche Krankheiten untersucht? Hat der kleine Hund jemals das Tageslicht gesehen? konnte er mit Artgenossen spielen? hat er verschiedene Gerüche, Geräusche, Untergründe kennengelernt? war er krank? wurde er geimpft, entwurmt?

Hunde sind unglaubliche Wesen, viele von ihnen stecken eine schreckliche Kindheit weg und sind trotz allem vertrauensvoll. Viele aber nicht, sie haben in den wichtigen Prägephasen nicht positiv gelernt, wie die Welt um sie herum ist, sind daher ängstlich, lassen sich nicht anfassen, wollen nicht ins Freie, keine Begegnung mit Menschen und anderen Hunden.

Noch schlimmer, manche Welpen wurden in ihren ersten Lebenswochen durch Gewalt oder andere einschneidende Erlebnisse traumatisiert, wurden vielleicht viel zu früh von ihrer Mutter getrennt, mussten mit unbekannten Umwelteinflüssen wie Geräuschen, Gerüchen ohne den emotionalen Rückhalt der Mutter zurechtkommen.

Traumatisiert sind häufig auch erwachsene Hunde aus dem Tierschutz, entweder waren sie Straßenhunde oder sie sind schon durch x Hände gegangen, die alle nicht mit ihnen fertig wurden.

Solche Hunde bedeuten dann für ihren Halter eine ständige Einschränkung des Lebens: Man kann sie nicht allein lassen oder nicht mitnehmen, sie lassen sich nicht pflegen, der Tierarztbesuch ist ein Kampf, und nicht zuletzt: Hunde haben Zähne und setzen sie ein, wenn sie sich anders nicht mehr helfen können.

Überraschungspaket

Auch wenn alles gut gelaufen ist, der Welpe gesund und gut geprägt ist: was wird aus ihm werden? ein "Goldie-Mix" – womit? der sich dann im Heranwachsen als 1% Golden Retriever und 99% Maremanno Abruzzese herausstellt, somit kein leichtführiger Familienhund, sondern ein g'standener Herdenschützer wird?

Oder ein süßer Mix aus irgendwelchen kleinen Hunden, der im Heranwachsen ein Qualzuchtmerkmal nach dem anderen aufweist – verdrehte Vorderläufe, einen langen, ansteigenden Rücken, steilste Hinterhandwinkelungen – die ihn spätestens im mittleren Alter in der Bewegung einschränken werden. Niemand hat sich darüber den Kopf zerbrochen, als man zwei Hunde einfach tun ließ wie sie eben in der Läufigkeit tun – Qualzuchtverbot hin oder her.

Oder einer jener putzigen gepunktelten Hunde, inzwischen gibt es ja fast jede Rasse mit Merle-Farbe – nur zu dumm, dass beide Eltern Merle-Träger waren und das Hündchen nicht einfach nur eigensinnig ist und deshalb nicht folgt, sondern leider vollständig taub (und kein Zuchtwart die Verpaarung untersagen konnte, weil man ja keine Papiere brauchte).

Auch diese Hunde schränken das Leben ihres Halters ein, sie können nunmal nicht so gehalten werden, wie man sich das vorgestellt hat, ständige Rücksichtnahme ist erforderlich.

Sogenannte "Züchter"

Aber auch im Bereich der Rassehunde kann der Hundefreund leider ganz schlimm in die Falle gehen, wenn etwa jemand sich als Züchter bezeichnet, aber keine Ahnung hat, was damit für Verpflichtungen verbunden sind: dass Haltung, Zucht, Aufzucht und Verkauf immer unter höchstmöglicher Transparenz erfolgen müssen. Ein "Züchter", der zuerst auf "große Hundefamilie" tut und dann für die Übergabe des Welpen auf einmal ein Treffen auf einem Parkplatz vereinbart, weil angeblich alle Hunde gerade krank wären? ja, nachher beginnt man zu recherchieren und findet heraus, dass dieser Züchter keinem Verband angehört, eben nur mit süßen kleinen Hunden Geld macht, aber weder in seiner Ausbildung noch in seinem Verhalten dem entspricht, was man von einem verantwortungsbewussten Züchter erwartet. Und dass er vielleicht ohnehin schon amtsbekannt ist. Warum kann man so jemandem nicht das Handwerk legen? der Amtsarzt sagt, er hat keine Handhabe. Mit dem neuen Tierschutzgesetz hat er sie noch immer nicht.

Tiefschlag für die verantwortungsbewusste Zucht

Das neue Tierschutzgesetz schränkt das Züchten erheblich ein – wird damit aber leider nur jene Züchter erreichen, die sich selbst deklarieren, somit die im Verband.

Alle jene, die "einmal Welpen haben" oder mit Welpen gutes Geld verdienen wollen und daher absichtlich oder versehentlich zwei Hunde sich paaren lassen, die weder vom Genotyp noch vom Phänotyp zusammenpassen und durch kein medizinisches Screening gegangen sind, jene "Züchter" werden wieder durchrutschen. Ihrer wird man nicht Herr, indem man die Verbandszüchter, die ohnehin unter ständiger Kontrolle im Verband stehen (Vieraugenprinzip), mit Auflagen eindeckt.

Ganz abgesehen davon, dass für Tierschutzorganisationen das Verbot von Erwerb, Import, Haltung, Verkauf von Tieren mit Qualzuchtmerkmalen explizit nicht gilt. Aus dem Tierschutz können daher fröhlich weiterhin arme Krüppel vermittelt werden, deren geographische und genetische Herkunft niemand kontrolliert hat. Die Vermehrer in den einschlägig bekannten Regionen reiben sich die Hände ob der unverminderten Absatzmöglichkeiten, die durch das Rassehunde-Bashing in Mitteleuropa noch zusätzlich gesteigert werden.

Nachtrag: schlimmer als man es sich vorstellen konnte

Jedenfalls in den USA sorgen seit Jahrzehnten Versteigerer dafür, dass ausgediente Zuchthunde, übriggebliebene Welpen oder solche mit Fehlbildungen oder auch ausgewählte Welpen teurer Moderassen schnell für gutes Geld den Besitzer wechseln. Dankbare Kunden solcher Versteigerungshäuser sind auch Tierschutzorganisationen, die so die große Nachfrage nach dem Motto "Adopt don't shop" decken. Und damit den Vermehrern und Massenzüchtern Geld in die Kassen schaufeln.

Ob es sowas auch in Europa gibt, weiß ich nicht. Es ist zu befürchten.

Quellen für die USA (entnommen einem Posting in Facebook):

https://www.animallaw.info/article/detailed-discussion-dog-auctions-and-retail-rescue
https://www.animallaw.info/article/overview-dog-auctions-and-retail-rescue
https://www.cbsnews.com/colorado/news/puppy-mills-douglas-county-canine-rescue
https://www.hshv.org/adopter-beware-the-word-rescue-may-not-mean-what-you-think-it-means