Die österreichische Kynologie im "Kriegszustand"?

Nicht nur die Weltpolitik, auch die westliche Gesellschaft scheint immer mehr in kriegerische Stimmung zu geraten. Eine gewisse Aufrüstung in Denken und Sprache ist leider auch in der Hundewelt zu beobachten. So sprach die Agentur, die unseren Dachverband seit einem Jahr berät, unlängst wörtlich vom "Kriegszustand", in dem sich die österreichische Kynologie befinden würde. Auf den ersten Blick erscheint diese Einschätzung doch reichlich überspitzt.

Man kann sie aber leider nicht von der Hand weisen: Seit einigen Jahren verschärft sich die Konfrontation zwischen Tierschutzorganisationen, Politik und Begleitmedien einerseits und der organisierten Kynologie andererseits immer mehr. Waren es zuerst "nur" rasierte Vibrissen, die man der Rassehundewelt, speziell den Ausstellern vorgeworfen hat, so weiteten sich die Attacken rasch auf "die Qualzucht" aus. Seit Jahren schwelt natürlich der Dauerbrenner "Kampfhunde". Schreckliche Vorfälle mit Hundebissen brachten dann die Tierschutz-NGOs, die Politik und die Begleitmedien in den letzten Monaten zur nächsten Facette: Nun bekommen der Hundesport und die Trainer zu spüren, was es heißt, im Kreuzfeuer zu stehen.

Sachlich

Objektiv muss auch oder vielmehr gerade ein überzeugter Vertreter der Rassehundezucht und der organisierten Kynologie einräumen:

  • Ja, es gibt Merkmale an Hunden, die deren Gesundheit beeinträchtigen.
  • Ja, es gibt Züchter, die persönliche Ziele vor das Wohl des Hundes stellen.
  • Ja, es gibt Hunde, deren Kraft und Temperament in unerfahrener und unbedarfter Hand ein gesellschaftliches Risiko sein können.
  • Ja, es gibt Kosmetik und Geschmacksfragen, die dem Wohl der Hunde widersprechen.
  • Ja, es gibt Hundesportarten, die in der heutigen (notorisch politisch korrekten) Gesellschaft auf Unverständnis stoßen.
  • Und ja, es gibt Trainer, die nicht auf der Höhe des Wissens sind, dafür häufig gut in der Kommunikation ihres Angebotes.
  • Aber nein, das sind bei weitem nicht alle Züchter, Hundehalter, Trainer und Sportler.
  • Und vor allem können wir "FCI-ler" mit ruhigem Gewissen sagen, dass die schwarzen Schafe in unserem Kreis äußerst selten sind.

Objektiv gesehen, ist also die Wahrheit (wie immer) auf beiden Seiten. Wie können diese Themen dann zum Kriegsgrund werden?

Grundsätze

Es scheint doch ganz einfach: In allen Bereichen – Zucht, Pflege, Ausbildung, Sport – ist es eine Frage von Wissen, Verantwortungsbewusstsein und Kontrolle, ob das Wohl des Hundes beachtet wird oder nicht. Wer nichts über Bedürfnisse, Verhalten und Anatomie des Hundes weiß und nicht das Verantwortungsbewusstsein hat, sich das Wissen anzueignen, wird ohne Begleitung und Kontrolle durch solche, die das Fachwissen haben, zwangsläufig in die falsche Richtung gehen.

Der Zugang zum Wissen sowie die Begleitung und Kontrolle durch Fachleute stehen freilich jedem Hundefreund offen, am einfachsten in der organisierten Kynologie, die dieses Vieraugenprinzip institutionalisiert hat. Wer sich dieses Prinzips nicht bedient, handelt deshalb im Umgang mit dem Lebewesen Hund fahrlässig.

Dilettantismus

Es ist dieser Dilettantismus, der uns den kynologischen Krieg eingebracht hat.

Zucht und Ausbildung von Hunden sind ja leider keine Lehrberufe. Jeder und jede kann sich "Züchter" oder "Trainer" nennen, ohne jemals auch nur das Basiswissen dafür erworben zu haben. Kein Wunder, dass in der Polemik gern alle "Züchter" und alle "Trainer" in einen Topf geworfen werden. Und kein Wunder, dass jene, die tatsächlich was davon verstehen, solche unsachlichen Unterstellungen ehrenrührig finden. Die undifferenzierten Angriffe gegen "die Rassehundezucht" treffen genau die, die ihre Sache tatsächlich gut machen.

Hingegen erreichen sie jene überhaupt nicht, die in Zucht und Ausbildung auf Kosten des Hundes dilettieren: Niemand von denen wird sich von all den Artikeln, Interviews und Postings angesprochen fühlen. Niemand von denen wird aufhören, nach Belieben Welpen zu "züchten" oder Hunde zu "trainieren", weil in den Medien gegen den Verband und seine Mitglieder polemisiert wird. Im Gegenteil, alle Dilettanten werden in ihrem Tun bestärkt, wenn das Feindbild "Verband" nur ordentlich angepatzt wird.

Gedanken- oder gewissenlose Medien?

Noch schlimmer: Dieselben Medien, die die Polemik gegen die Rassehundezucht genüsslich zur Auflagensteigerung nutzen, publizieren unreflektiert Fotos von Hunden mit Qualzuchtmerkmalen – überbordenden Hautfalten, fehlenden Nasen und Ruten, Apfelkopf, entzündeten Glupschaugen, Merlefarben – und mit kupierten Ohren oder Ruten, Stachelhalsbändern usw. – einfach weil dort niemand ist, der genug Fachwissen hätte, um das zu stoppen. Kaum eine Werbung mit Hund, in der einfach nur ein gesunder Hund auftreten würde, irgendein Modemerkmal muss dabei sein.

Die Mode der Qualzuchthunde ist Grund für deren Einsatz in den Medien und wird durch ebendiesen Einsatz weiter befeuert.

Wie soll eine Gesellschaft, die die gesamte Fachdiskussion ja nicht verfolgt, endlich lernen, was Qualzucht ist, was verbotene Erziehungsmethoden und wie ein gesunder Hund aussehen soll?

Informationsmangel

Polemik, Unsachlichkeit, Verallgemeinerung und Unwissen sowie die allgegenwärtige Lust am Beckmessern scheinen also die Debatte auf Seiten der Tierschutz-NGOs, Politik und Medien zu bestimmen. Wie geht der Verband damit um?

"Wir einfachen Hundemenschen" – sogar wir einfachen Funktionäre der rund 100 Vereine im Verband – können in diesem "Krieg" selten beurteilen, welche Partei gerade die Wahrheit auf ihrer Seite hat.

Dieser Informationsmangel steht in krassem Gegensatz zur zunehmenden Verlagerung der Auseinandersetzungen in die Medien. Angesichts der Angriffe baut der Verband nun auch Medienkompetenz auf und fordert von uns unbedingte Solidarität ("jeder kann der nächste sein!"). Für eine ständige und ausführliche Information der Mitglieder ist im "Krieg" nicht nur keine Zeit, sie wäre auch nicht zweckmäßig, wer will schon 100 Möchtegern-Pressereferenten um sich haben?

Sich eine eigene Meinung zu bilden, ist da schwierig, denn dazu gehört bekanntlich, auch die "andere Seite" zu hören. Wer das tut und seine Meinung dann auch äußert, macht sich gerade nicht beliebt.

Solidarität

Im Krieg wird Solidarität gefordert, das ist eine alte Geschichte. Im Grunde sind wir FCI-Leute aber ohnehin alle solidarisch: Wir stehen hinter der FCI-Rassehundezucht, hinter der zertifizierten Ausbildung von Trainern und dem Vieraugenprinzip in der Zucht. Wir verstehen, dass es kontraproduktiv wäre, die Verbandsethik gerade jetzt öffentlich in Frage zu stellen.

Aber Solidarität kann auch umgekehrt gefordert werden, etwa von jenen, deren Sorgen inzwischen aus dem Blickpunkt gerückt sind (z. B. Stichwort Rasselisten): Wenn sich die ganze Aktivität des Verbandes einem neuen "Kriegsschauplatz" widmet, geraten andere heikle Themen rasch in Vergessenheit.

Noch weiter gedacht: Die große Mehrheit der Züchter und Trainer hat mit gesunden Hunden zu tun, züchtet, hält und beschäftigt sie völlig unspektakulär tierschutzgerecht und gerät nun in Geiselhaft (schon wieder so ein martialischer Begriff) jener, denen Tierschutz-NGOs, Politik und Medien eine Übertreibung der Rassemerkmale, der Leistung im Sport oder des Stylings, kurz eine Instrumentalisierung des Hundes vorwerfen.

"Wir einfachen Hundemenschen" können deshalb auch die Solidarität jener fordern, die von ihrer (vielleicht zu Recht) kritisierten Vorstellung, wie "der Hund" sein soll, justament nicht abrücken wollen.

Kritik und Verbesserung

Nein, ich fordere niemanden auf, sich der widerlichen Polemik zu beugen, die über die Kynologie herschwappt. Ich frage nur, ob es nicht ethisch richtig wäre, die Gelegenheit zum Überdenken von Reglements, Traditionen und Gewohnheiten zu nutzen.

Man komme mir jetzt nicht mit dem beliebten Hinweis aufs Ausland! Ja, natürlich liegen die Rassestandards bei den Herkunftsländern und die Reglements bei der FCI. Jederzeit kann aber jeder und jede von uns selbst in unserem eigenen Bereich an Schrauben drehen, Situationen verbessern und Einstellungen ändern, damit jener Teil der Kritik, der berechtigt sein mag, auch Früchte trägt.

Jetzt erst recht an Punkt und Beistrich festzuhalten, dient dem Wohl des Hundes kaum. Übertypisierung, Konzessionen an Gesundheit und Wesensstärke zugunsten von Hochleistung und optischer Perfektion werden immer schon angeprangert. Spätestens jetzt ist es Zeit für ein Umdenken.

Wer in seiner Sache souverän ist, ist dankbar für Kritik, statt sie zu bekriegen.