Wenn man mit einem Westie-Welpen in der City unterwegs ist, kommt man rasch mit Menschen ins Gespräch. Die einen finden das Hundekind einfach nur süß und wollen es streicheln. Andere wollen wissen, was das für eine Rasse wäre und woher man den Welpen habe. Wenn ich aber dann in voller Überzeugung sage "vom Züchter", stoße ich oft schon auf Unverständnis.
Rassehundezucht im internationalen Verband ist "angewandter Tierschutz"
Teilweise klingt es wie eine Verteidigung, warum man selbst keinen Hund vom Züchter habe, aus der dann rasch der Vorwurf wird: Solange noch in irgendeinem Tierschutzheim ein armer Mischling einsitze, dürfe nirgends gezüchtet werden. Mein Argument dagegen "es gibt keinen besseren Tierschutz als die kontrollierte Zucht im Verband" überzeugt nicht. Ist es in der öffentlichen Meinung also lobenswerter, einen "Nicht-Rassehund" zu haben?
Andererseits war unter den zahllosen Besitzern von Nicht-Rassehunden, die ich über die Jahre so getroffen habe, kein einziger, der nicht gerätselt hätte, welche Rassen denn in seinem Hund stecken und warum er so sei wie er ist – da würde der Border Collie durchschlagen, oder das wäre halt Art der Jack Russel ... der Hund hätte wer weiß was erlebt, bevor man ihn "gerettet" habe, deshalb sei er in seinem Verhalten so schwierig, ängstlich, unverträglich oder aggressiv. Bekanntlich werden sogar Gentests angeboten, um die enthaltenen Rassen herauszufinden. Die meisten Besitzer von Hunden, die einem bestimmten Rassetyp nur sehr weitläufig entsprechen, sind dennoch überzeugt, einen Hund der Rasse "x" zu haben.
Versehentlich oder wissentlich "Qualzucht"
Besonders traurig bin ich immer, wenn ich solche "Nicht-Rassehunde" sehe, die Qualzuchtmerkmale der in ihnen steckenden Rassen vereinen – Nachkommen der zahllosen (häufig brachycephalen) Modehunde, schon diese in den meisten Fällen aus zweifelhafter Herkunft und dann versehentlich oder gar wissentlich vermehrt. Was man praktisch nie zu sehen bekommt: versehentliche oder wissentliche Mischlingsnachkommen von Hunden vom Züchter. Wer seinen Hund vom Züchter hat, der achtet auf ihn und erzeugt nicht Welpen, nur weil man halt mal Hundebabys haben will oder weil man nicht aufgepasst hat.
Retten aus der Tötung?
Dann gibt es natürlich die Hundemenschen, die wirklich für geschundene Hunde das Paradies bereiten, etwa die junge Frau mit den zwei "Pitbull"-Hündinnen, beiden hatte man die Ohren fast ganz weggeschnitten, beide verkrümmte Läufe und von Narben übersät, ihre ursprüngliche "Bestimmung" ist also nicht zu übersehen. Und beide unfassbar freundlich zum Welpen und zum fremden Menschen. Vor solchen Hundemenschen ziehe ich den Hut, auch wenn ich selbst einfach nicht davon zu überzeugen bin, dass es richtig ist, Hunde aus den sogenannten "Tötungsstationen" in den Westen zu holen. Befördert man da nicht das Geschäft jener Lieferanten, die das Reservoir an zu rettenden Hunden gleich wieder auffüllen? oder bin ich da in meiner Meinung genauso im Irrtum wie die Leute, die in der Rassehundezucht nur die Erzeugung von Konkurrenz für diese armen Tiere um die Sofas unserer Wohlfahrtgesellschaft sehen?
Am Geld kann es nicht liegen, das "Retten" eines Hundes aus dem Osten kostet häufig mehr Zeit und Geld als die Suche und der Kauf eines Welpen vom Züchter, ganz zu schweigen von den häufig folgenden Ausgaben für medizinische Behandlung und Verhaltenstraining.
Die Schwelle zum Züchter
Vielleicht ist es ja diese Entscheidung – wer einen Welpen will, wird eher zum Züchter gehen, schließlich hat sich schon weitgehend herumgesprochen, dass Kofferräume und Online-Marktplätze nicht die richtige Quelle sind, aber viele Menschen wollen sich diese Mühe nicht antun und suchen einen erwachsenen Hund, den man vom Züchter nur in seltenen Fällen bekommt.
Und dann mag es sein, dass unsere Rassehundezucht nach außen manchmal doch recht elitär rüberkommt, mit unserer Suche nach den Besten im Ring und für die künftige Verpaarung? Das erzeugt eine gewisse Schwellenangst, man stellt sich dieser Prüfung durch den Züchter nicht – obwohl auch die Vermittler von "geretteten" Hunden die Bewerber auf Herz und Nieren prüfen, häufig strenger als die Rassehundezüchter.
Rassehundezucht im Elfenbeinturm?
Wie kann man dieses Dilemma also auflösen – jeder sucht die Rasse im Mischling, und trotzdem steht man als überzeugter Vertreter der kontrollierten Rassehundezucht so oft allein da? Ganz sicher schafft man das nicht allein, sondern nur in Kooperation zwischen Verband, Rasseclubs und Züchtern, wobei wir offensichtlich neue Wege brauchen, denn die bisher genutzten haben sich ja leider als ungangbar erwiesen.
Und jedenfalls schaffen wir es nicht, indem wir uns in unseren Elfenbeinturm zurückziehen und so tun, als ob uns die öffentliche Meinung nichts angehen würde. Ja, wir sind alle ehrenamtlich tätig und haben neben der Kynologie noch unser "eigentliches" Leben, aber wenn uns die Rassehundezucht wichtig ist, dann müssen wir jetzt etwas tun – wir sind nämlich mit verantwortlich für alles, was mit Hunden passiert, nicht nur für unsere eigenen.
Auf Haustiermessen können wir beraten, aber da kommt zu uns, wer ohnehin an der Rassehundezucht interessiert ist, die breite Öffentlichkeit erreichen wir so nicht.
Das wenige Publikum auf unseren Ausstellungen ist ebenfalls eher schon auf unserer Seite, und viele Aussteller haben weder Zeit noch Interesse an Beratungs- und Überzeugungsarbeit, wollen ihre Hunde nicht dem Streichelstress und einer Ansteckungsgefahr aussetzen und verbinden das Ausstellen generell nicht mit dem Ziel der PR, sondern mit seiner eigentlichen Aufgabe einer züchterischen Konkurrenz. Die COVID-19-Pandemie wird wohl das Ausstellungswesen grundlegend verändern, Publikum wird es bei Ausstellungen wahrscheinlich kaum mehr geben und auch keine Zeit mehr zum Reden.
Die sozialen Medien scheinen auch nicht der richtige Kanal zu sein, die Diskussionen, die sich da entspinnen, gehen oft in die genau gegenteilige Richtung, die Rassehundezucht wird heruntergemacht, und niemand ist da, der sie überzeugend verteidigen würde. Oder scheuen wir uns sie zu verteidigen, weil wir untereinander nicht einig sind und lieber den Mund halten als vom Kollegen angegangen zu werden?
Ich kenne den richtigen Weg auch noch nicht, aber mir scheint, es ist höchste Zeit ihn zu suchen.